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Textbeispiele:
Portrait von Tommy Kirchmann, Gründer des Acoustic Festivals Düsseldorf, Januar 2017
Tommy Kirchmann liebt handgemachte Musik und ist der Macher des Acoustic Festivals, das zweimal jährlich die leisen Töne feiert. Im Januar steigt die fünfte Ausgabe der Reihe im Haus der Jugend. Ob es einen nächsten Acoustic Summer geben wird, steht allerdings noch in den Sternen. Das hat auch mit dem Düsseldorfer Publikum zu tun. Von Berit Kriegs
Sounds of Silence
Eigentlich wollte er nur mal gucken, ob es funktioniert: ein Festival unplugged, ohne elektrische Gitarren und Verstärker. Rein akustischer Folk, Pop, Rock; Bands und Singer-Songwriter, bekannte Namen und Newcomer. Die Entscheidung weiterzumachen, fiel noch während der Premiere. "Der Abend war großartig, die Leute und die Musiker hatten so einen Spaß, da dachte ich, das machst du nochmal", sagt Tommy Kirchmann. Seitdem gibt es den Acoustic Winter im Haus der Jugend und den Acoustic Summer im Weltkunstzimmer. Beide Festivals werden für ihre besondere Stimmung gerühmt, speziell die teils openair ausgetragene Sommer-Edition. Und ausgerechnet die steht jetzt auf der Kippe.
Das Problem ist, man ahnt es, das Geld. Während der Acoustic Winter ein treues Publikum hat, ist beim Acoustic Summer in puncto Zuschauerzahlen noch Luft nach oben. "Das liegt tatsächlich an Düsseldorf", urteilt Tommy. Eine Einschätzung, die er mit vielen anderen Veranstaltern teilt. Düsseldorf gilt als schwierig, da kann das Line-up noch so hochkarätig sein. "Scheinbar erwarten die Leute, dass man sie abholt, hinbringt und sagt: Jetzt darfst du dir schöne Musik anhören." Am Online-Ticketverkauf war abzulesen, dass im letzten Jahr sehr viele Besucher von auswärts kamen, aus Köln zum Beispiel, sogar aus ganz Europa. "Das macht uns natürlich froh und stolz, aber die 150 Düsseldorfer, die noch hätten zusätzlich kommen können, wären uns fast lieber gewesen."
Was die Festivals auszeichnet, ist die enorme Bandbreite der Künstler: etablierte Größen und Nachwuchstalente, lokale Musiker neben internationalen. In der Szene wächst die Anerkennung für dieses Konzept; große Namen zu holen, wird leichter. Für den Acoustic Winter am 14. Januar konnte mit Ray Wilson, Ex-Sänger von Genesis und Stiltskin, ein Weltstar gewonnen worden, Chrissi Poland aus den USA ist dabei und der irische Singer-Songwriter Mark Geary. Zwölf Plätze sind zu vergeben, für die "unfassbar viele Bewerbungen" reinkommen, allein für den Sommer über 300. "Die hören wir uns auch alle an und beantworten sie, weil wir das einfach fair finden." So manche Perle wurde auf diese Weise schon entdeckt.
Die Hoffnung nicht aufgeben
Woher die Vorliebe für akustische Musik? Tommy, Percussionist in der Band One Eye Open, schätzt daran das Handgemachte, Unverfälschte. "Wenn ein Künstler nur mit Gitarre und Stimme auf die Bühne geht, kriegt man am besten mit, was der kann." Musikbegeistert ist der Mann schon seit seiner Jugend. Rund 1500 Konzerte hat er besucht, außerdem betreibt er einen Plattenladen – online und demnächst auch offline: Am 7. Januar eröffnet auf der Düsselthaler Straße "Rainking Recordstore". Damit erfüllt sich sein Inhaber einen lang gehegten Wunsch: "Ich hatte drei Lebensträume. Der erste war, war meine Traumfrau zu finden, das ist mir gelungen, spät, aber Gott sei Dank. Der zweite war, in einer Band zu spielen, das hat auch funktioniert. Und ich wollte drittens, seit ich Musik höre, immer einen Plattenladen haben." Der versteht sich nicht als Konkurrenz zu den zwei amtlichen Dealern der Stadt, sondern konzentriert sich rein auf Secondhand-Ware mit Schwerpunkt Vinyl.
Zurück zum Acoustic Festival, das seinem Macher längst ans Herz gewachsen ist. Für den Sommer hofft er auf die bereits mehrmals beantragten, bislang aber nie bewilligten Fördergelder. Ansonsten müsse man das Ganze vielleicht ein bisschen runterdampfen, was aber nicht Sinn der Sache sei. Am Niveau zu rütteln, kommt nicht infrage: "Dann würde ich es wirklich lieber lassen." Die Ticketpreise zu erhöhen, ist auch keine Option. Das Festival soll keine Exklusivveranstaltung werden "für die Leute mit dem fetten Portemonnaie". Entschieden ist noch nichts, der Termin im Weltkunstzimmer ist vorsorglich geblockt. Tommy reißt es hin und her. "Entweder wir kriegen diese Lücke geschlossen", sagt er, "oder es waren halt fünf schöne Festivals." So richtig abnehmen möchte man ihm das nicht.
Veranstaltungshinweis DRUM TAO, Januar 2017
Kein anderes Ensemble hat die uralte Kunst des japanischen Trommelns derart perfektioniert wie DRUM TAO. Weltweit begeisterten sie über 6,5 Millionen Zuschauer mit ihrer einzigartigen Performance. Jetzt kommen die Ausnahmetrommler nach zweijähriger Pause wieder nach Deutschland.
Kraftpaket
Jahrhundertealt ist Wadaiko, die traditionelle japanische Trommelkunst. Schon in der Frühzeit galt sie als Mittler zu Geistern und Göttern, um sich deren Gunst zu erbitten. DRUM TAO beleben die überlieferte Spielart mit Elementen des Pop – in einer mitreißenden, energiegeladenen Performance, die Rhythmus, Kampfkunst und Meditation vereint.
Ihren Durchbruch in Europa feierte die 1993 gegründete Formation 2004 beim Fringe Festival in Edinburgh, spätestens seit ihrem Auftritt bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele in Vancouver 2010 kennt sie die ganze Welt. Es folgten eine restlos ausverkaufte USA-Tour sowie umjubelte Gastspiele auf allen Kontinenten. Bis dato haben mehr als 6,5 Millionen Menschen TAO – Die Kunst des Trommelns gesehen: Ein Kulturexport, für den sich die japanische Tourismus-Agentur mit der Verleihung des "The 6th Japan Tourism Agency Commissioner's Award" bedankte. Nur alle zwei Jahre machen DRUM TAO auf ihren Welt-Tourneen auch in Deutschland Station; am 6. Februar gastieren sie in Düsseldorf. "Samurai of the Drums" heißt ihr aktuelles Programm, das die Geschichte der japanischen Musik und Kultur in einer imposanten Show abbildet, die Tradition und Moderne gleichermaßen widerspiegelt. In einer minutiös getimten Choreographie sind elf Männer und Frauen zu erleben, die körperlich an ihre Grenzen gehen, ohne je die Contenance zu verlieren – geschweige den Kontakt zum Publikum. Auf die Schwerstarbeit, Trommeln mit einem Durchmesser von bis zu 1,70 m erklingen zu lassen, bereitet sich das Ensemble mit asiatischer Disziplin und Demut vor: In klösterlicher Abgeschiedenheit im Trainingszentrum "Grandioso" im Kuju-Hochland lebend, gehören ein Halbmarathon, Work-out und Kampfsport zur täglichen Routine vor dem eigentlichen Trommel-Training. Es wird also laut, sehr laut, es wird auch lustig und leise und vor allem: sehr unterhaltsam. Standing Ovations!
bk
DRUM TAO – Samurai of the Drums: 6.2., Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf; drum-tao.de
Gastro-Tipp Le Créol, Dezember 2016
Le Créol
Wünsch dir was
Elizaneda Gerner ist zurück in Düsseldorf und mit ihr die karibische Küche. Das Le Créol ist aber kein klassisches Restaurant, sondern ein Lokal im Sinne eines Treffpunkts für Genießer. Abends wird auf Ansage gekocht, was eine Reservierung unabdingbar macht.
Dass Elizaneda Gerner eine hervorragende Köchin ist, hat sie schon vor einigen Jahren mit ihrem Zazie Karibik bewiesen. Dann zog sie samt Restaurant nach Bochum (heute: Zazie im Pastorat), war bei "Die Küchenschlacht" im TV zu sehen und eröffnete im Mai das Le Créol in Düsseldorf. Dreimal wöchentlich serviert sie Mittagstisch, z. B. Curry-Reis mit Salat und Spinat oder Poulet Kreol, Hähnchenbrustfilet mit Tomate, Paprika, Zwiebeln und Rote-Bohnen-Reis (je 10,–). Das Essen ist nicht scharf, aber würzig: Dafür sorgen viele frische Kräuter, deren Verwendung typisch ist für die kreolische Küche. Wie man aus Petersilie, Thymian oder Oregano das meiste rausholt, ist allerdings eine Wissenschaft für sich – zu ergründen in den Kochkursen, die immer am letzten Sonntag eines Monats stattfinden.
Anders als mittags gibt es abends keine Speisekarte und ohne Reservierung geht gar nichts. Man teilt vorab mit, ob man Fleisch, Fisch oder vegetarisch essen möchte, danach geht die Chefin einkaufen und zaubert ein Vier-Gänge-Menü (ab 49,– p. P.). Dieses Konzept hat den guten Grund, beim Einkauf zielgenau planen zu können, denn Elizaneda Gerner stammt aus Haiti, einem der ärmsten Länder der Erde: Lebensmittel wegzuwerfen, kommt für sie nicht infrage. Die Portionsgrößen sind angemessen, wer nicht satt geworden ist, erhält kostenlosen Nachschlag. Ein Beispiel, das gerne öfter Schule machen dürfte. Im Menü inklusive sind eine Flasche Wein für zwei und das unnachahmliche Entertainment der sehr herzlichen Gastgeberin.
Berit Kriegs
Le Créol, Grafenberger Allee 360, Düsseldorf, 0211-96661244; Di & Mi 11.30–15, Do 11.30–15 & 18–22, Fr 18–22, Sa 18–23 Uhr
Einkaufen in Frankreich 2014
Foto Berit Kriegs
Interview mit Alain Bieber, Leiter des NRW-Forums, August 2015
Seit April ist Alain Bieber künstlerischer Leiter des NRW-Forums und mit 36 Jahren Düsseldorfs jüngster Museumschef. Ein "NRW-Forum 2.0" hat er angekündigt und findet, dass die Stadt in Sachen Netzkultur erheblichen Nachholbedarf hat. Im September startet seine Debütausstellung "EGO UPDATE. Die Zukunft der digitalen Identität". Berit Kriegs traf ihn zum Gespräch.
Kultur ohne Kopfschmerzen
Herr Bieber, wissen Sie, wie viele Selfies Sie schon aufgenommen haben?
Ich bin kein exzessiver Selfie-Macher. Wenn, dann eher im privaten Kontext, aber diese Bilder teile ich nicht unbedingt mit der Masse. Das Phänomen interessiert mich auf der sozialen Ebene: Was passiert mit der Privatsphäre? Wer bin ich, wer sind wir als Gruppe? Das Private wird ja total öffentlich. Es heißt, wir werden alle zu Privat-Paparazzi durch die sozialen Medien.
Jetzt widmen Sie den Selfies Ihre erste Ausstellung, EGO UPDATE.
Es geht nicht nur um Selfies. Die sind ein wichtiger Bestandteil, aber der große Überbegriff ist digitale Identität. 23 Künstler aus aller Welt untersuchen, wie sich die Gesellschaft durch den digitalen und technologischen Fortschritt verändert. Da machen wir eine große Bandbreite auf zwischen Fotografie, Installationen, Skulpturen, der Kreativwirtschaft und Popkultur. Eine große Rolle spielt das Thema Selbstinszenierung.
Gilt das auch im praktischen Sinne?
Ja, es gibt zum Beispiel einen Automaten, in dem kann man sich im Stil von Magnum-Fotografen ablichten lassen. Oder die Installation von Evan Roth, da kann jeder seinen TED-Talk halten und direkt im Netz verbreiten. Wir bieten auch ein Begleitprogramm mit Filmen und Performances. Außerdem veranstalten wir im November die erste Cyborg-Messe.
Das klingt, als würden Sie vor allem ein jüngeres Publikum ansprechen wollen.
Ich hoffe, nicht nur. Deswegen ist Vermittlung sehr wichtig. Wie kommuniziert man das? Im Bereich Netzkultur passiert noch nicht viel in Düsseldorf, da müssen wir Aufbauarbeit leisten. Man muss ja nicht bei Facebook sein, um zu verstehen, was da passiert. Aber man muss sich mit den Dingen beschäftigen. Das hat weniger mit dem Alter zu tun als vielmehr damit, wie jung man im Kopf ist.
Sie möchten das Haus zum "NRW-Forum 2.0" umbauen. Was heißt das konkret?
Meine Vorgänger haben einen hammer Job geleistet, das war purer Zeitgeist der 90er und Nullerjahre. Ich will gar nichts komplett Neues machen, sondern das einfach ins Heute übersetzen: Was sind die aktuellen Themen, Künstler, Positionen? Natürlich hat sich die Fotografie in den letzten 20 Jahren extrem verändert, ebenso die Mittel und die Möglichkeiten. Es bleibt ein Genre-Mix aus Fotografie, Architektur, Design und Medienkunst, das ist das Alleinstellungsmerkmal des Hauses und für mich eine zeitgenössische Positionierung. Die Dinge existieren nicht mehr voneinander losgelöst, alles ist mit allem verbunden.
Was hat es mit der monatlichen Veranstaltungsreihe 1UP auf sich?
Wir laden Leute aus verschiedenen Branchen ein, unkonventionelle Ideen zu präsentieren, Künstler, Kreative, Designer, Wissenschaftler, Start-ups. Ein Format mit Laborcharakter, aber unterhaltsam, nicht so verkopft. In Düsseldorf passiert sehr viel, es gibt viele Szenen, aber die treffen sich nie. Wenn solche Leute aufeinanderprallen, ist das sehr spannend. Bestenfalls entsteht wieder etwas Neues.
Gehört das zum versprochenen "Museum ohne Langeweile"?
Richtig, wobei wir ja kein Museum sind, das per Definition eine eigene Sammlung besitzt. Wir präsentieren uns als Kulturzentrum, als Austellungsprojekthaus – ohne Langeweile. Ich glaube, dass sich etwas verändert. Museen und Ausstellungshäuser werden immer mehr zu Orten, wo die Menschen zusammenkommen. "Hochkultur" kann extrem viel Spaß machen, wenn man sie gut verpackt, wenn man Inhalte vermittelt. Gute Kultur kann wirklich unterhaltsam sein. Man muss da nicht mit Kopfschmerzen rausgehen.
Sie haben früher einige unangemeldete Kunstaktionen im öffentlichen Raum gemacht, etwa in einem Hamburger Baumarkt. Wollten Sie provozieren?
Nein, die Idee war, Menschen zu erreichen, die normalerweise nicht ins Museum gehen. Das hat auch funktioniert. Der Geschäftsführer, der von nichts wusste, fand's toll, und die Leute haben sich gefreut, in einem Baumarkt plötzlich mit Kunst konfrontiert zu werden. Es ist doch schade, dass es dieses Kunstbiotope gibt, hier ein Museum, da ein Tempel, dort eine Halle. Oder Zeiten, in denen Kunst passieren kann. Im besten Fall ist Kunst Alltag und Leben. Darum geht es mir. Das ist mein großes Ziel.
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